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Baby mit 10 M. krabbelt und sitzt noch nicht - Vojta-Therapie?

Schattenbild Community-Mitglied ohne Profilfoto Anonym
mein Sohn ist jetzt 10 Monate alt und krabbelt und sitzt noch nicht. Er bewegt sich rollend durchs Zimmer. Wir haben uns schon zum sozial-pädiatrischen Zentrum überweisen lassen. Dort gehen wir jetzt zur Vojta-Therapie. Bei den Übungen weint er jedoch immer ganz schrecklich, auch wenn wir den Sport zu Hause machen. Die Therapeutin meint, ich müsse mich mehr durchsetzen. Ich gebe mir ja Mühe, die Übungen mit ihm durchzuziehen, aber Spaß macht das nicht. Bestimmt merkt das auch das Kind. Außerdem sagt die Physiotherapeutin, mein Sohn wäre 3 Monate in der Entwicklung zurück. Ursachen kann mir niemand nennen, nur, daß ich mit schuld bin, weil ich immer gleich hinrennen würde, wenn er mal schreit. Jedenfalls bin ich jetzt verzweifelter als vor der Therapie. Emil hatte heftige Darmprobleme und hatte lange nicht zugenommen. Wider Erwarten geht es ihm nach dem endgültigen Abstillen vor 4 Wochen viel besser. Vieleicht können Sie mich ein bißchen beruhigen bzw. einen Rat geben. Ich bin schon froh, daß in Ihrer Sprechstunde anscheinend schon ähnliche Fragen aufgetaucht sind.

Vielen Dank und viele Grüße,

Frage vom 17.07.2001

Schattenbild Community-Mitglied ohne Profilfoto Hebamme
Ich möchte erstmal etwas zur körperlichen Entwicklung im allgemeinen sagen, obwohl ich nicht in der Lage bin, in Ihrem konkreten Fall eine Aussage zu machen, da ja wohl nicht bekannt ist, warum es zu dieser Entwicklungsverzögerung gekommen ist. Ich meine jedoch, daß hier wirklich eine fachlich qualifizierte Indikation gestellt werden muß. Grundsätzlich entwickelt sich jedes Kind individuell in seinem Tempo und Rhythmus, wobei es u.a.bei der körperlichen Entwicklung einen Entwicklungsrahmen gibt, in dessen Bandbreite beurteilt werden kann, ob das Kind sich altersgerecht entwickelt oder ob es eben Entwicklungsverzögerungen gibt, die u.U. einer Therapie bedürfen. Bevor ein Baby aufrecht sitzen kann, muß es genügend Kopfkontrolle über Nacken, Schultern und Rumpf entwickeln, um den Kopf und den Rumpf gerade halten zu können. Es muß lernen, das Gleichgewicht zu halten, damit es frei sitzen kann. Die wenigstens Babys sind vor dem achten oder neunten Monat soweit. Die körperliche Entwicklung geht vom Kopf hinunter zu den Zehen. Mit acht bis neun Monaten zieht sich das Baby mit erhobenem Kopf am Boden vorwärts und macht stoßartige Bewegungen. Beim Krabbeln muß das Baby Hand- und Kniebewegungen koordinieren. Anfangs fällt dies schwer, und so erfinden manche Babys einen ganz eigenen Stil und eigene Wege, um sich fortzubewegen. Es ist völlig gleichgültig welchen Stil das Kind entwickelt, wichtig ist, daß es sich fortbewegt! Es gibt Kinder, die das Krabbeln auch völlig auslassen und gleich zum Laufen übergehen. Auch dafür gibt es keinen festen Zeitpunkt. Seine ersten Schritte wird das Kind vermutlich zwischen dem neunten und fünfzehnten Monat machen. Der Grund für diese Unterschiede ist nicht bekannt. Vererbungsfaktoren können eine Rolle spielen. Ungeachtet dieser zeitlichen Abweichungen machen alle Kinder die einzelnen Entwicklungsstufen in einer gleichen Reihenfolge durch. Wie lange ein Kind für jede Stufe braucht ist individuell verschieden. Ungeduld ist fehl am Platz. Deswegen ist es sehr wichtig wie anfangs erwähnt, daß hier eine genaue Begutachtung Ihres Kindes erfolgt, auch z.B. eine schwere Erkrankung wie die Darmschwierigkeiten verbunden mit der verzögerten Gewichtszunahme Ihres Sohnes, die Sie beschreiben, muß in dieser Einschätzung mit berücksichtigt werden und kann durchaus dann diese Verzögerung, die er jetzt aufweist, als für noch tolerierbar eingestuft zulassen. Die Vojta Therapie wird hauptsächlich zur Prophylaxe und Behandlung kindlicher neurologischer Bewegunsstörungen und orthopädischer Fehlstellungen eingesetzt. Da wir mit unserer jüngsten Tochter selber nach Vojta turnen, bin ich mir der von Ihnen geschilderten Problematik durchaus bewußt. Die Kinder werden in einer Ausgangsstellung sozusagen zwangs-gehalten, um dann auf die jeweiligen Auslösezonen einen Reiz auszulösen, der wiederum eine reflektorische Bewegung auslöst. Ich habe bis jetzt noch kein Kind gesehen, das nicht schreit unter der Behandlung. Ich meine, das Schreien unserer Tochter nicht als Schmerz-Schrei wahrzunehmen, sondern aufgrund von Anstrengung und auch des Protestes, in der jeweiligen Stellung gehalten zu werden, ohne daß sie sich daraus entwinden kann. Wenn Sie sich als Eltern für diese Therarpie entscheiden, dann gibt es nur entweder, daß Sie davon absolut überzeugt sind und auch voll dahinterstehen, oder aber Sie sollten diese Therapie nicht machen! Vor allem, wenn von Ihnen erwartet oder verlangt wird, daß Sie dies selber mit Ihrer Tochter turnen. Auch wir haben eine Zeitlang selber mit unserer Tochter geturnt, jedoch dann für uns beschlossen, daß wir es nicht mehr weitermachen möchten. Sie haben als Elternteil einfach eine andere und engere Beziehung zu Ihrem Kind und das ist auch gut so! Sie basiert auf vollstem Vertrauen, auf Liebe und auf Zuwendung. Wenn Sie nicht dahinter stehen können und wollen, so müssen Sie dies auf keinen Fall tun, denn das schadet Ihrer Beziehung zu Ihrem Kind. Dafür gibt es ausgebildete Physiotherapeuten. Wenn Sie also dennoch der Überzeugung sind, daß eine Therapie nach Vojta positiv für Ihren Sohn ist, so gehen Sie lieber regelmäßig zu einem Therapeuten, der ihn dann behandelt- als neutrale Person. Von Schuldzuweisung zu sprechen ist in dieser Situation meiner Meinung völlig fehl am Platz. Sie haben die Aufgabe, Ihren Sohn mit Ihren Mitteln und Ihrer absoluten Unterstützung, Liebe und Annahme zu begleiten. Er hat zu Ihnen absolutes Vertrauen und ist auf Ihre Unterstützung , auf Ihre Liebe und Anerkennung angewiesen, genau so, wie Sie entscheiden, was Sie als für ihn als förderlich erachten, wenn es z.B. um die alltäglichen Bedürfnisse geht, um die Pflege, die Ernährung etc. als auch wenn es z.B. um eine Therapie geht. Sie müssen sich kundig machen, Sie müssen sich absolut darüber aufgeklärt wissen, Sie müssen um die Alternativen Bescheid wissen, um die Vor-und Nachteile, um eine solche Entscheidung relativ sicher treffen zu können. Wenn Sie merken, Sie kommen damit nicht zurecht, dann muß hier eine Änderung eintreten, denn nur, wenn Sie als Mutter davon überzeugt sind, kann es positiv für Ihr Kind sein! Sie tragen keine Schuld! Die Person, der Sie z.B. Ihr Kind vorübergehend und zu einem bestimmten Zweck in Obhut geben- ob zur Therapie, als Babysitter oder später im Kindergarten z.B.- muß ein Vertrauensverhältnis zu Ihnen haben, um einen positiven Erfolg zu erzielen- auch in Zusammenarbeit zu Ihrem Kind. Wenn dieses Verhältnis nicht gegeben ist und z.B. auf Schuldzuweisungen basiert, kann es niemals einen positiven Erfolg haben!
Mit freundlichen Grüßen

Antwort vom 17.07.2001


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