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Abhalten - so wird Baby "topffit"

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STECKBRIEF

Name: Christina Hinderlich
Beruf: Die dreifache Mutter ist Hebamme und Diplom-Pflegewissenschaftlerin. 2007 übernahm sie bei Weleda die Leitung des Fachbereichs Hebammen. Zudem ist sie „Windelfrei“-Coach.

Das Baby „windelfrei“ großziehen. Was sich für viele Mütter nach einer utopischen Vorstellung anhört, ist möglich: durch gezieltes Abhalten der Kleinen. Hebamme Christina Hinderlich erklärt im babyclub.de-Expertentalk, wie ihr eure Babys „topffit“ macht.

"Windelfrei" - Abhalten - "topffit": Was bedeutet das?

  • babyclub.de: Was genau bedeutet „windelfrei“, wie funktioniert das Abhalten und gibt es noch andere Begriffe für eine „windelfreie“ Erziehung?
Christina Hinderlich: „Windelfrei“ bedeutet, dass Eltern ihren Babys die Gelegenheit geben, sich zu erleichtern, wenn sie mal müssen. In der Regel halten sie sie dafür über ein kleines Töpfchen oder ein Waschbecken. Das ist das sogenannte Abhalten. Neben „Windelfrei“ gibt es noch die Begriffe „Ausscheidungskommunikation“, „topffit“ und „Wickeln nach Bedarf“.

Der beste Zeitpunkt für den "Windelfrei"-Start

  • babyclub.de: Wann sollte die „windelfreie“ Erziehung starten und wie sieht ein späterer Einstieg aus, wenn mein Baby „topffit“ werden soll?
Christina Hinderlich: Im Idealfall beginnen Eltern in den ersten vier Monaten, sobald sie sich mit ihrem Baby sicher genug fühlen. In dieser Zeit signalisieren die Babys ihre Bedürfnisse noch sehr gut. Wenn die Kleinen erst einmal anfangen, sich zu drehen oder zu krabbeln, sind sie meist mit anderen Lernschritten vollauf beschäftigt.
Grundsätzlich können Eltern jederzeit mit dem Abhalten der Kleinen anfangen. Sie müssen ihr persönliches „windelfrei“ nur an den gerade aktuellen Entwicklungsschritt ihres Kindes anpassen. Es geht nicht darum, dass Eltern ihr Baby zur Sauberkeit erziehen. Es geht darum, einen Bindungsbaustein mehr zu nutzen und als Familie Spaß an der achtsamen Kommunikation zu haben. Bei größeren Kindern müssen Mama und Papa den Ablauf interessanter gestalten, zum Beispiel ein Büchlein mit auf die Toilette nehmen, sonst fühlen sich die Kinder im Spiel unterbrochen, was viele dann bald – zu Recht – verweigern. Eltern sollten außerdem damit rechnen, dass ein älteres Kind schon vieles selber machen und entscheiden will. Zum Beispiel das Wo, Wann und Wie.

Signale erkennen und das Baby abhalten

  • babyclub.de: Woran erkenne ich, dass mein Baby mal muss und was tun, wenn ich keine Signale erkenne?
Christina Hinderlich: Bei ganz kleinen Babys sieht man es oft, weil sie sich ganz plötzlich im Ausdruck verändern. Manche werden mitten im Spiel ganz ruhig oder sind plötzlich ungewöhnlich unruhig. Sie strampeln mit Ärmchen und Beinchen, ziehen Grimassen oder geben bestimmte Laute von sich. Es gibt eine Menge deutliche Zeichen und auch einen bestimmten Rhythmus bei Babys unterschiedlichen Alters. Eltern können das alles leicht erlernen. Man muss nur wissen, worauf man achten muss. Wer sich beim Deuten der Signale schwer tut, sollte auf das Abhalten nach dem Schlafen bauen – da müssen alle Babys.

Hat Baby alles im Griff und ist es nachts "windelfrei"?

  • babyclub.de: Inwieweit können Babys ihre Ausscheidungen kontrollieren und wie funktioniert „Windelfrei“ nachts?
Christina Hinderlich: Aus unserer Erfahrung können Babys durchaus ein wenig warten, wenn sie wissen, dass man sie abhält, und dann auf ein Zeichen hin loslassen, wenn sie in der richtigen Position sind. Das ist ganz wichtig: Nicht möglichst langes Anhalten liegt im Fokus, sondern gezieltes Loslassen.
„Schlaf hat immer Priorität“ sagen die Fachjournalistinnen Nicola Schmidt und Julia Dibbern. „Windelfrei“ nachts ist daher nur sinnvoll, wenn das Kind dadurch besser schläft.

Abhalten - wo mache ich das am Besten?

  • babyclub.de: Wo halte ich mein Kind am Besten ab? Muss das Abhalten bei „windelfreier“ Erziehung immer am gleichen Ort passieren?
Christina Hinderlich: Dafür gibt es keine Regeln. Alles, was gut funktioniert, kann man machen. Ein Busch, die Toilette, die Badewanne, eine Rührschüssel oder ein kleines Töpfchen – Eltern brauchen sich nicht zu scheuen, da kreativ zu werden. Nein, auf keinen Fall müssen die Eltern das Baby immer am gleichen Ort abhalten. Eltern können bei Babys das Töpfchen am Wickeltisch haben, manche nehmen es auch einfach überall mit hin oder gehen nur, wenn eine Toilette verfügbar ist. Das alles ist in Ordnung.

"Windelfrei"-Zubehör kaufen

  • babyclub.de: Brauche ich Zubehör für „Windelfrei“ oder gibt es Hilfsmittel?
Christina Hinderlich: Die Fachjournalistinnen Nicola Schmidt und Julia Dibbern sagen: „Man braucht in erster Linie Neugier, Humor und ein Baby!“ Das reicht. Dennoch gibt es natürlich Produkte, die es erleichtern. Viele Mütter bieten aus der eigenen Erfahrung heraus „Windelfrei“-Produkte an. Das beginnt bei abhalte-freundlichen Hosen, die man nicht ausziehen muss, bis hin zu bestimmten Stoffwindeln, die beim Abhalten nicht herunterfallen. Das alles kann es im Alltag einfacher machen. In speziellen „Windelfrei“-Online-Shops in Deutschland können Eltern, die ihre Kleinen „topffit“ machen wollen, einiges finden.

Gibt es den goldenen Weg?

  • babyclub.de: Ist „windelfreie“ Erziehung besser als Wickeln?
Christina Hinderlich: Nein. Jede Familie muss das finden, was für sie passt. „Windelfrei“ bietet vor allem dann Vorteile, wenn Kinder schnell wund werden oder sich gegen das Wickeln wehren. Auch wenn ein voriges Geschwisterchen Probleme hatte, trocken zu werden, entscheiden sich viele Eltern für frühes Abhalten, weil sie so dem Kind die Windel gar nicht erst antrainieren.

Vorteile von "Windelfrei"

  • babyclub.de: Welche Vorteile bietet „windelfreie“ Erziehung fürs Baby und für die Familie?
Christina Hinderlich: Windelfreie Babys – auch Babys, die Windeln tragen, sie aber kaum nutzen – sind weniger wund und haben ein angenehmes Gefühl. Vor allem aber wird die Kommunikation mit den Eltern gestärkt. Das Baby erfährt sehr früh: Meine Eltern verstehen mich, wenn ich ihnen zeige, dass ich muss. Das ist eine großartige frühe Selbstwirksamkeitserfahrung. Für die Familie bedeutet „Windelfrei“: weniger Windelkosten, kein Antrainieren der Windel, eine Menge Spaß mit dem Baby. Besonders Väter sind nach der ersten Skepsis oft begeistert. Nicht zu vergessen ist auch der Umweltaspekt: Wenn man davon ausgeht, dass ein Baby durchschnittlich 3800 Mal gewickelt wird, bis es sauber ist, so erspart die "windelfreie" Erziehung der Umwelt doch eine beträchtliche Menge Müll.

Ist "Windelfrei" sehr anstrengend?

  • babyclub.de: Ist „windelfreie“ Erziehung nicht sehr anstrengend für die Bezugsperson?
Christina Hinderlich: Am Anfang ist es vor allem anders und auch ganz klar aufwändiger. Wir haben ja gewisse kulturelle Gewohnheiten und Erwartungen, die wir über Bord werfen und oft wenig Unterstützung. Auf lange Sicht gesehen, ist es jedoch für viele Familien weniger Aufwand, weil sie keine sich wehrenden, zweijährigen Kinder wickeln müssen. Zudem geht bei vielen Familien schon im ersten Jahr das große Geschäft zuverlässig in die Toilette – eine große Erleichterung, wenn erstmal die Beikost-Zeit beginnt.

"Topffit" in Mamas Arbeitsalltag

  • babyclub.de: Ist „windelfreie“ Erziehung nur etwas für „Vollzeit-Mamas“?
Christina Hinderlich: Nein. Es gibt durchaus Erzieher oder Tagesmütter, die Kinder ebenfalls auf ein Zeichen hin oder nach dem Schlafen abhalten, sobald man ihnen erklärt, wie es geht. Wenn das jedoch nicht möglich ist, können Kinder auch unterscheiden: Mama hält mich morgens ab, im Kindergarten mache ich in die Windel und abends gehe ich mit Mama noch mal zur Toilette.

Wer hilft mir, Baby "topffit" zu machen?

  • babyclub.de: Wer kann mich coachen, wenn ich mein Baby „windelfrei“ erziehen möchte?
Christina Hinderlich: Das Artgerecht-Projekt bildet seit 2012 Windelfrei-Coaches aus, die bundesweit und in der Schweiz Kurse und Treffen anbieten. Hier finden Eltern wissenschaftlich fundierte Informationen und Beratung. Diese Coaches wissen, dass Eltern heute häufig bald wieder arbeiten gehen oder keinen zusätzlichen Aufwand schultern können und beraten entsprechend. Auch ich habe meine Ausbildung dort gemacht.

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Aus der Hebammensprechstunde:

Hallo, ich kenne niemanden der das je gemacht hat. Es gibt aber ein Buch mit diesem Titel, in dem die Autorin beschreibt, wie sie es gemacht hat. LG Judith

Hallo, eigentlich ist es zu früh zur Beikosteinführung, vor allem, wenn sie so plötzlich erfolgt. Es wird empfohlen ein halbes Jahr ausschließlich zu stille... Weiterlesen ...

Wenn einer zu viel und der andere zu wenig macht, gehören immer zwei dazu: einer, der den anderen machen lässt und ein anderer der macht! Da hilft wahrscheinl... Weiterlesen ...

Meinungen aus der Community:

  • Profilfoto  Soey87
    Hallöchen an alle Mamis oder bald Mamis, meine Tochter ist am 1.5.2017 geboren und schreit seitdem wie am Spieß wenn sie auf dem Wickeltisch liegt. Haben scho...
  • Profilfoto  gigi06
    Im KH und beim Arzt gibt es ein Wärmelampe. Wie macht ihr das denn zu Hause? Habt Ihr Wärmestrahler oder macht ihr die Heizung richtig an ?
  • Profilfoto  mutti74
    Hallo zusammen, ich suche jetzt für den Winter einen Heizlüfter zum Wickeln, da es nun schon kalt wird und es in unserer Wohnung meines Erachtens nach auch re...

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